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«Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft»

Im Rahmen des NFP 58 «Religionen, Staat und Gesellschaft» wurde eine grosse Erhebung zur Religiosität in der Schweiz durchgeführt.

Die im Rahmen des NFP 58 «Religionen, Staat und Gesellschaft» durchgeführte Erhebung zur Religiosität in der Schweiz steht in der Tradition vergleichbarer Studien seit 1989, deren erste unter dem Titel «JedeR ein Sonderfall?» stark beachtet wurde. Die nun veröffentlichte Auswertung und Kommentierung der neuesten Erhebung führt zur Erkenntnis, dass die Religiosität in unserer Gesellschaft sich mit Hilfe von vier «Typen» oder «Gestalten des (Un-)Glaubens» charakterisieren lässt: Institutionelle, Alternative, Distanzierte und Säkulare.

Alle, die sich mit der Situation der Kirche(n), mit Pastoralplanung, oder mit dem Verhältnis von Religion und Gesellschaft befassen, werden das gut lesbare und nachvollziehbare Buch mit Gewinn lesen. Noch klarer und unmissverständlicher als die bisherigen Studien weist es auf den Umbruch in der Religionslandschaft hin. So bilanziert sie mit Blick auf die Wahrnehmung und Bewertung von Religion: «Der Übergang zur Ich-Gesellschaft hat auch die Wahrnehmung von Religion(en) tiefgreifend verändert. Was mit der Aufklärung und der auf sie folgenden Religionskritik schon vorgespurt wurde, erreicht nun in radikalisierter Form die breite Masse der Bevölkerung. Während noch bis in die 1950er Jahre von der Schweiz als «christlichem Land» gesprochen werden konnte und die Konfessionsdifferenzen ein wichtiger sozialer Marker waren, der die Wahrnehmung der Menschen stark beeinflusste, wird Religion im neuen Konkurrenzregime der Ich-Gesellschaft von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in ganz neuer Weise betrachtet: Religion(en) unterstehen aus dieser Sicht ganz generell dem Primat der Gesellschaft und des Individuums. Sie haben nicht selbst Ansprüche zu stellen, sondern müssen der Gesellschaft und dem Individuum dienen. Falls sie dies nicht tun oder gar schädliche Auswirkungen zeigen (z.B. zu Extremismus, Fanatismus, Intolereanz neigen), werden sie abgelehnt.» (170) Diese Wahrnehmung und Bewertung von Religion(en) fordert die Kirchen heraus. Auch wenn sie sich entscheiden, sich nicht an den Gesetzmässigkeiten und Beurteilungsmassstäben der Ich-Gesellschaft zu orientieren, müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass sie von einer Mehrheit der Bevölkerung daran gemessen werden.

J. Stolz, J. Könemann, M. Schneuwly Purdie, T. Englberger, M. Krüggeler, Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft. Vier Gestalten des (Un-)Glaubens (SPI-Reihe 16), Zürich: Edition NZN bei TVZ 2014, 281 Seiten.