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«Wir stehen in der Pflicht»

SBK und die Vereinigung der höheren Ordensobern verabschieden per 1. März 2019 neue Auflage der Richtlinien zu sexuellen Übergriffen.

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Verschärfung der Anzeigepflicht

Die Richtlinien sahen bis anhin vor, dass das erwachsene Opfer einerseits in jedem Fall auf die Möglichkeit einer Strafanzeige nach staatlichem Recht hinzuweisen war und es anderseits gegenüber den kirchlichen Amtsträgern Einspruch gegen die Erstattung einer Strafanzeige erheben konnte. Künftig soll das erwachsene Opfer nicht mehr über ein «Vetorecht» verfügen. Neu müssen Ordinarien (d.h. Diözesanbischöfe, General- oder Bischofsvikare sowie die höheren Ordensoberen) in jedem Fall Anzeige an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden erstatten, wenn sie Kenntnis von einem Offizialdelikt erhalten. Die bisherige Regelung war aufgrund von Empfehlungen von Opfertherapeutinnen und -therapeuten entstanden, welche ein «Vetorecht» für die Opfer gefordert hatten. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass wenn keine Anzeigepflicht existiert, die Vertuschungsgefahr bestehen bleibt sowie die Gefährdung von potentiellen künftigen Opfern.

Prävention

Das «Fachgremium für sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» hat in seinem Anliegen, die Prävention systematischer anzugehen, eine Serie von konkreten Massnahmen aufgegriffen, welche zwar von einzelnen Diözesen und Ordensgemeinschaften bereits angewendet werden, mit der neuen Auflage der Richtlinien jedoch für alle als verbindlich gelten. So soll z.B. jede Diözese und jede Ordens- und andere kirchliche Gemeinschaft über einen Präventionsbeauftragten und ein eigenes Präventionskonzept verfügen, welches die Grundkriterien für eine adäquate und professionelle Wahrnehmung von Nähe und Distanz und für einen respektvollen sowie achtsamen gegenseitigen Umgang festlegt. Basierend auf dem Präventionskonzept sollen in einem nächsten Schritt Verhaltenskodizes und Standards erarbeitet werden.

Mitverantwortung der staatskirchenrechtlichen Behörden

Mit der neuen Auflage der Richtlinien sind auch bei der Anstellung und Vertragsgestaltung Änderungen vorgesehen: Da häufig die staatskirchenrechtlichen Einrichtungen als Arbeitgeber auftreten, setzen sich die Bistumsleitungen dafür ein, dass die Präventionsmassnahmen auch von den verschiedenen staatskirchenrechtlichen Organisationen einvernehmlich und verbindlich mitgetragen werden. Konkret soll erreicht werden, dass bei jeder Anstellung im kirchlichen Umfeld ein Privatauszug und ein Sonderprivatauszug aus dem Strafregister vorgelegt werden müssen und dass sich die arbeitsnehmende Person bereit erklärt, die Richtlinien einzuhalten. Liegen die erwähnten Auszüge bei bereits angestellten Personen mit missio canonica noch nicht vor, werden diese eingefordert. Ferner soll jedes Mal, wenn eine in der Kirche tätige Person sich neu einem Team anschliesst, von allen Teammitgliedern eine Vereinbarung zur gegenseitigen Verpflichtung betreffend Wahrnehmung von Nähe und Distanz unterzeichnet werden.

Die überarbeiteten Richtlinien treten per 1. März 2019 in Kraft.

Richtlinien der SBK und VOS'USM - 2019, 4. Auflage

Interview mit Joseph Bonnemain, Sekretär des Fachgremiums Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld der SBK