Milizengagement – eine Ressource für die Akteure, die Kirchen und die Gesellschaft
Neben der direkten Demokratie und dem Föderalismus sei der «Esprit de milice» die dritte Säule, welche die politische Identität der Schweiz trägt, hielt Tibère Adler, Direktor des Think-Tanks Avenir Suisse in der Romandie fest. Und schon im Rahmen ihrer Begrüssung hatte Susana Garcia, Vizepräsidentin der RKZ, den Tagungsteilnehmenden vorgerechnet, dass allein in der katholischen Kirche vermutlich rund 9‘000 Personen ein Milizamt wahrnehmen. Der Gesellschaft und den Kirchen kann es daher nicht egal sein, wenn dieser Pfeiler unserer nationalen Identität bröckelt.
Vielerorts wird nach neuen Lösungen gesucht – oft sind diese zwiespältig
Es erstaunt daher nicht, dass an vielen Orten in der schweizerischen Zivilgesellschaft darüber nachgedacht wird, welches die Gründe für das abnehmende Milizengagement sind und wie seine Zukunft gesichert werden kann. Viele der vorgeschlagenen Lösungen sind allerdings zwiespältig:
Ähnliche Dilemmata bestehen bei den Themen Professionalisierung, Zeitaufwand etc. Als Ausweg stellt Avenir Suisse einen Bürgerdienst für alle (als Ausweitung der militärischen Dienstpflicht für Männer) und die Einführung des passiven Wahlrechts für Ausländer auf Gemeindeebene zur Diskussion, kombiniert mit vermehrter Anerkennung des Engagements durch Bildungsangebote und Nachweise des Engagements und der erworbenen Kompetenzen.
Milizengagement stiftet Sinn –falsche Professionalisierung und Bürokratisierung schaden
Einen anderen Blick auf das Milizengagement eröffnete der zweite Referent. Theo Wehner, emeritierter Professor für Arbeitspsychologie an der ETH Zürich, erbrachte den Nachweis, dass Miliztätigkeit die Lebenszufriedenheit erhöht. Wer sich im Milizsystem engagiert, erfährt und stiftet Sinn: durch Teilhabe und Teilnahme an sozialen Innovationen, durch die Erfahrung von Übereinstimmung zwischen eigenen Werten und der ausgeübten Tätigkeit, durch die Erfahrung von Zugehörigkeit und Wertschätzung. Gefährdet sei die Erfahrung von Miliztätigkeit als Sinnressource durch folgende Fallstricke: Abwertung des Laienwissens und Überhöhung von Professionalisierungsbemühungen, Managementisierung und Verbürokratisierung des Ehrenamtes, Fehlen einer phantasievollen Anerkennungs- und Beteiligungskultur.
Workshops zu kirchenspezifischen Einzelthemen
Die nachmittäglichen Workshops waren vor diesem Hintergrund auf folgende Fragen fokussiert:
Die Inputs von Fachleuten, der Dialog zwischen «Profis» und «Milizlern», der Blick über die Kantons- und Sprachgrenzen sowie der Erfahrungs- und Gedankenaustausch erwiesen sich für sehr viele Teilnehmende als Ermutigung für ihr persönliches Engagement, aber auch für eine Stärkung des Milizsystems. In der Schlussdiskussion waren folgende Stichworte wiederholt zu hören:
Welchen Beitrag die RKZ über die Tagung hinaus leisten kann, wird noch zu klären sein. Ganz sicher werde man sich jedoch vor bürokratischen Massnahmen hüten, hielt RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch in seinem Schlussvotum fest.