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Eine nicht näher umschriebene Sexualmoral bleibt für das Privatleben relevant

Stellungnahme des Präsidiums der RKZ zur Standortbestimmung der Schweizer Bischöfe bezüglich der persönlichen Lebensführung von Seelsorger:innen.

Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) hat vor zwei Jahren das Ziel gesetzt, dass das Privatleben der Seelsorgerinnen und Seelsorger keine arbeitsrechtliche Relevanz mehr haben dürfe. Das Präsidium der RKZ bedauert, dass dieses Ziel mit der Standortbestimmung der SBK noch nicht erreicht worden ist. Die RKZ wird sich weiter dafür einsetzen.

Ziele der RKZ

Ende September 2023 hat die RKZ im Kontext der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie vier Forderungen an die SBK adressiert. Darunter die Forderung, «dass die Schweizer Bischöfe in gleicher Weise wie ihre deutschen Kollegen anerkennen, dass das partnerschaftliche Leben – abgesehen von den zum Zölibat verpflichteten Personen – weder anstellungs- noch kündigungsrelevant ist.» Die RKZ bezog sich dabei auf eine Änderung der Grundordnung für den kirchlichen Dienst, der die deutschen Bischöfe im November 2022 zugestimmt hatten. Diese besagt: «Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen. Besondere kirchliche Anforderungen an Kleriker, Kandidaten für das Weiheamt, Ordensangehörige sowie Personen im Noviziat und Postulat bleiben hiervon unberührt.» (Art. 7 Abs. 2 Sätze 3-4 GO).

Verschiedene kirchliche Kreise haben sich der Zielvorgabe der RKZ angeschlossen. Sie möchten, dass kirchliche Mitarbeitende, die in einer gemäss der katholischen Sexualmoral «irregulären» Beziehung leben (uneheliche hetero- oder homosexuelle Partnerschaft, nur zivil, aber nicht kirchlich geschlossene Ehe, insbesondere nach einer zivilrechtlichen Scheidung), aus der Heimlichtuerei und vom Damoklesschwert der Kündigung befreit werden. Die rigide und homophobe Sexualmoral gilt ausserdem als systemisches Element, das sexuellen Missbrauch begünstigt.

Wichtige Fortschritte

Die RKZ erkennt heute das intensive Bemühen der Schweizer Bischöfe an, ihren Reflexionsstand in einer Standortbestimmung festzuhalten. Dabei sind aus Sicht der RKZ zwar wichtige Fortschritte zu verzeichnen, es bleiben jedoch auch erhebliche Desiderate bestehen.

Die Fortschritte betreffen zunächst den Sprachstil: Es herrscht eine spürbare Vorsicht im Umgang mit der Fragestellung sowie eine Zurückhaltung, irgendwelche roten Linien zu benennen – auch dort, wo das Leben von der kirchlichen Norm abweicht. Stets soll versucht werden, Wege zu finden. Ein weiterer wichtiger Fortschritt ist die Ausweitung der Glaubwürdigkeitsperspektive: Glaubwürdigkeit verschaffen die Gläubigen insgesamt, die kirchlichen Strukturen sowie der Lebensstil der Seelsorgenden – beispielsweise ihr Umgang mit materiellen Gütern – und ihr Engagement für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, ein menschenwürdiges Leben und die Bewahrung der Schöpfung.

Desiderata

Wenngleich die Perspektive auf die Glaubwürdigkeit ausgeweitet wurde, so bleibt das bisherige Kernthema erhalten: «Gestaltung von Beziehungen» und ein «verantworteter Umgang mit der Sexualität» sind weiterhin Kriterien für den kirchlichen Dienst – lediglich nicht mehr die einzigen. Die Bischöfe schreiben unmissverständlich: «Seelsorgerinnen und Seelsorger, deren persönliche Lebenssituation von kirchlichen Vorgaben abweicht, wissen, dass dies Konsequenzen für ihren Sendungsauftrag haben kann» (S. 3).

Das Wörtchen «kann» verweist auf den Ermessensspielraum. Bemerkenswert ist, dass die Bischöfe diesen Ermessenspielraum bei der Beurteilung, ob eine von den kirchlichen Vorgaben abweichende Lebenssituation zum Entzug der kirchlichen Sendung führt, nicht eingrenzen. Sie haben sich entschlossen, «keinen Katalog von Regeln und Kriterien zu veröffentlichen» (S. 6), da sie nicht nur das äussere Verhalten, sondern auch die «Herzenshaltung» (S. 7) berücksichtigen wollen.

Eine Standortbestimmung?

Die RKZ bedauert, dass das Dokument Personen, die sich für eine kirchliche Tätigkeit interessieren, wenig Klarheit eröffnet, ob sie mit ihrer Lebensform geduldet werden oder nicht. Wie kann die lesbische Frau, die sich überlegt Religionspädagogin zu werden, wie kann der wiederverheiratete Mann, der sich mit dem Berufsbild Seelsorger befasst, sicher sein, dass sie nach absolvierter Ausbildung nicht aufgrund ihrer Lebensführung ohne kirchliche Beauftragung dastehen? 

Hauptbetroffen bleiben die Männer und Frauen, die bereits im kirchlichen Dienst tätig sind und sich in «komplexen Beziehungssituationen» (S. 4) befinden. Sie begegnen der Erwartung der Bischöfe, dass sie sich auf «einen steilen, anspruchsvollen Weg» begeben, um sich den Idealen des christlichen Glaubens anzunähern (S. 4). Nach der offiziellen Lehre der katholischen Kirche besteht dieses Ideal jedoch für alle, die nicht kirchlich verheiratet sind, in der «Keuschheit der Enthaltsamkeit» (Weltkatechismus, Ziffern 2350, 2359, 2390). Wie sehr die einzelnen Bischöfe die Seelsorgenden an diesem Ziel messen, bleibt offen.

Für die RKZ ist klar, dass sie das vor zwei Jahren aufgezeigte Ziel weiterhin verfolgt. Sie wird das im direkten Gespräch mit den Bischöfen tun, aber auch indem sie kantonalkirchliche Körperschaften unterstützt, welche rechtliche Möglichkeiten ausloten.

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