Gesetz zur «Kleinen Anerkennung» in GE und NE geplant
In den Kantonen Genf und Neuenburg, in denen auch die grossen Kirchen vom Staat nicht öffentlich-rechtlich anerkannt und im Privatrecht organisiert sind, sind vergleichbare religionsrechtliche Entwicklungen im Gang. Beide Kantonsregierungen haben den Parlamenten Gesetzesvorschläge unterbreitet, die zum Ziel haben, die bisher den Kirchen vorbehaltene öffentliche (sogenannt «kleine») Anerkennung für andere Religionsgemeinschaften zu öffnen.
Gesetz über die Laizität des Staates (Genf)
Das vom Genfer Staatsrat vorgeschlagene «Gesetz über die Laizität des Staates» formuliert im Zweckartikel folgende Ziele:
Die Laizität des Staates wird als «Prinzip der Neutralität des Staates in religiösen Belangen definiert, welche die Bewahrung der Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet, den religiösen Frieden erhält und jede Diskriminierung aufgrund religiöser Überzeugungen ausschliesst. Sie fördert die Toleranz und den gegenseitigen Respekt in der Gesellschaft.»
Für die Religionsgemeinschaften, die eine öffentliche Anerkennung und die Möglichkeit erhalten möchten, freiwillige Kirchenbeiträge zu erheben, wird eine ganze Reihe von Anforderungen formuliert, darunter die Transparenz bezüglich der Herkunft der Mittel. So müssen sie einzelne Beiträge von Personen, Staaten oder Institutionen, die 5% ihres Gesamtertrags übersteigen, offenlegen.
Im Vergleich mit der bisherigen Gesetzgebung fällt einerseits eine wesentlich wertschätzendere, nicht nur die negative, sondern auch die positive Seite der Religionsfreiheit betonende Grundhaltung auf. Bereits haben jedoch kritische, auf einer wesentlich strikteren Abgrenzung des Staates von der Religion bestehende Kreise ihre Kritik angemeldet und alternative Vorschläge formuliert. Das Parlament wird das Gesetz im Herbst 2016 behandeln.
Gesetz über die Anerkennung von Religionsgemeinschaften (Neuenburg)
Auch das Neuenburger Gesetzgebungsvorhaben beabsichtigt, die Voraussetzungen für die Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften zu schaffen und formuliert dafür eine Reihe von Bedingungen. Als Wirkungen der Anerkennung nennt der Gesetzesvorschlag
«Kleine Anerkennung» in der West- und Nordwestschweiz weiter verbreitet
Vergleicht man die religionsrechtliche Entwicklung in den verschiedenen Regionen der Schweiz fällt auf, dass die «kleine» und deshalb niederschwelligere öffentliche Anerkennung (ohne Gewährung des Rechts zum Einzug der Kirchensteuer) in der West- und Nordwestschweiz weiter verbreitet ist als in anderen Landesteilen. In Basel-Stadt wird dieses Rechtsinstitut bereits angewandt, auf Verfassungsstufe vorgesehen ist es in BS, FR, NE und GE, im Detail geregelt ist die kleine Anerkennung im Kanton Waadt. Sofern die Gesetzgebungsvorhaben in GE und NE im vorgeschlagenen Sinne realisiert werden, baut die Romandie ihren Vorsprung in diesem Bereich noch aus.
Die Gründe für diese Ungleichzeitigkeit müssten genauer analysiert werden – religionssoziologisch korrespondiert sie mit der Tatsache, dass die Entkirchlichung der betreffenden Kantone weiter fortgeschritten ist als in anderen Landesteilen.
Zum Stand der Anerkennungsdiskussion vgl. René Pahud de Mortanges, Staatliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften: Zukunfts- oder Auslaufmodell? (FVRR 31), Zürich 2015.