Menu
Details 

Neue Wege der Beziehungspflege zwischen Bund und Religionsgemeinschaften?

Staatsbesuch von Kardinal Pietro Parolin vom 6. bis 8. November 2021 in der Schweiz.

© EKS / Stefan Wermuth

Vom 6. bis 8. November 2021 weilte Kardinal Staatssekretär Pietro Parolin, «Aussenminister» und oberster Diplomat des Heiligen Stuhls, auf Einladung von Bundesrat Ignazio Cassis in der Schweiz. Zu seinem Programm gehörten ein Gottesdienst in Einsiedeln, ein Pilgerweg in den Ranft gemeinsam mit den Schweizer Bischöfen, ein Empfang beim Bundespräsidenten, Gespräche mit dem Aussenminister und die Eröffnung einer wissenschaftlichen Tagung zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen des Vatikans mit der Schweiz vor 100 Jahren. Dieses Jubiläum, das Corona-bedingt hatte um ein Jahr verschoben werden müssen, war der eigentliche Anlass des Besuchs.

Kurz vor diesem Besuch hatte der Bundesrat beschlossen, in absehbarer Zeit eine Schweizer Botschaft im Vatikan zu eröffnen. Die diplomatischen Beziehungen sollen künftig nicht mehr über den Schweizer Botschafter in Slowenien laufen. Zu dieser Entscheidung, in direkter Entsprechung zur Apostolischen Nuntiatur in Bern eine Schweizer Botschaft im Vatikan zu eröffnen, gab es seitens der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) auch kritische Anfragen. Insbesondere ist es der EKS ein Anliegen, dass die Schweizerische Aussenpolitik nicht nur das menschenrechtliche und humanitäre Engagement der katholischen Kirche, sondern auch jenes der anderen Kirchen und ihrer Hilfswerke berücksichtigt.

Ökumenische Begegnung

Um so wichtiger war es, dass Kardinal Parolin und Aussenminister Cassis am 8. November im Rahmen der Synode der EKS, die dann im Berner Rathaus tagte, an einer ökumenischen Begegnung teilnahmen, zu der neben einer Vertretung der Schweizer Bischofskonferenz auch der Bischof der christkatholischen Kirche, der Präsident der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen sowie die Präsidentin der RKZ und deren Generalsekretär teilnahmen.

Sowohl der Bundesrat als auch der Kardinal würdigten die Bedeutung der Ökumene und betonten, dass das menschenrechtliche Engagement des Vatikans wie auch die diplomatischen Beziehungen der Schweiz zum Heiligen Stuhl nicht nur die Mitglieder der katholischen Kirche im Blick haben, sondern alle Menschen unabhängig ihrer Religion.

Die Präsidentin der EKS, Rita Famos, begrüsste und würdigte den Entscheid des Bundesrats zur Errichtung einer Botschaft beim Heiligen Stuhl ausdrücklich. Darüber hinaus dankte sie dem Bundesrat, «dass er diesen Dialog nutzen wird, auch die Schweizerischen Grundwerte zu thematisieren. Ich denke hier nicht nur an die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen. Beispielsweise sucht die katholische Kirche mit ihrem synodalen Prozess nach Möglichkeiten, die Basis in Entscheidungen einzubeziehen. Die Eidgenossenschaft hat hier viel Kompetenz und Erfahrung zur Verfügung zu stellen.»

Kreative Wege für die Beziehungspflege zwischen Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften

Zudem hielt Rita Famos fest, die Politik müsse «die Religionsgemeinschaften als gesellschaftliche und religionspolitische Tatsache wahrnehmen. Im Unterschied zu den Kantonen bestehen hier auf nationaler Ebene noch Leerstellen» und übermittelte dem Bundesrat «den gemeinsamen Wunsch der hier anwesenden Kirchen [...]: Seien Sie kreativ für neue Wege der Beziehungspflege zwischen Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, etwa in Gestalt eines formalisierten Austauschs des Bundesrats mit denselben».

Demokratische Entscheidungen über die Zukunft der Kirche als schweizerisches Erfolgsmodell

Schon in ihrem Begrüssungswort hatte die Präsidentin der EKS festgehalten: «Die evangelisch-reformierte Synode hier im Rathaus Bern, die christkatholische Nationalsynode, die Mitgliederversammlung der Römisch-katholischen Zentralkonferenz symbolisieren sehr viel der schweizerischen Wirklichkeit. Ordinierte und Nichtordinierte, Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, Christinnen und Christen unterschiedlicher beruflicher Hintergründe treffen demokratische Entscheide über die Zukunft der Kirche. Ein Schweizer Erfolgsmodell, das meiner Meinung nach mindestens so viel Swissness verkörpert wie die vielgerühmte Schweizergarde.»