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Ich bin besorgt...

Eingangsstatement von Luc Humbel anlässlich der Plenarversammlung der RKZ vom 30.11/1.12 2018 in Zürich

Sie alle wissen, dass wir uns in der RKZ im wahrsten Sinne des Wortes um vieles sorgen. Immer geht es darum, kirchliches Leben und Wirken zu ermöglichen und zu fördern. Mit diesem Engagement sind wir nie alleine unterwegs. Es wird ermöglicht durch die Mitglieder der Kirche, welche bereit sind, dafür Steuern zu zahlen oder Beiträge zu leisten. Weiter sind wir im dualen System im Einvernehmen mit den pastoral Verantwortlichen der Kirche in der Schweiz unterwegs. Dass um dieses Einvernehmen immer wieder gerungen werden muss, macht mir auch Sorgen, doch dies steht nicht im Vordergrund, weil mich in diesen Wochen andere Ereignisse in unserer Kirche viel stärker mit Sorge erfüllen.

… aufgrund des Ausmasses der Missbräuche

Ich bin besorgt aufgrund des Ausmasses der Missbräuche, welche von Priestern, Ordensleuten und kirchlichen Institutionen in den vergangenen Jahrzehnten begangen worden sind. Es ist notwendig und gut, dass wir diese massiven Verfehlungen benennen und alles tun, was in unserer Macht liegt, um Versöhnung zu ermöglichen. Dieser Weg ist für alle steinig. Wenn wir glaubwürdig unterwegs sein wollen, müssen wir diesen steinigen Weg gehen, ungeachtet der Kräfte, die er von uns allen abverlangt. Es besorgt mich, dass es noch mehr Geld für die Genugtuungsleistungen braucht, weil die Anzahl der verjährten, von den Opfern bisher nicht thematisierten Missbräuche weit höher ist als vermutet. Dieses Geld steht den Opfern zu; es wird aber auch fehlen, um anderweitig für die Menschen Unterstützung leisten zu können. Noch mehr beunruhigt mich, dass bei der Bewältigung dieser Glaubwürdigkeitskrise in der Kirche Singularinteressen eine ganzheitliche und rechtsgleiche Lösung infrage stellen.

… wegen der Abwendung sechs engagierter Frauen von der Kirche

Ich bin besorgt, weil letzte Woche sechs prominente Frauen sich von der katholischen Kirche öffentlich abgewandt haben. Diesen Entscheid verkündeten die beiden früheren Nationalrätinnen Cécile Bühlmann (gp., Luzern) und Ruth-Gaby Vermot (sp., Solothurn), die ehemalige grüne Zürcher Stadträtin Monika Stocker, die beiden Theologinnen Regula Strobel und Doris Strahm sowie Anne-Marie Holenstein, die frühere Direktorin des katholischen Hilfswerks Fastenopfer. Obwohl wir Austritte gewohnt sind, schockiert mich diese Nachricht. Es handelt sich samt und sonders um kirchlich engagierte Persönlichkeiten, welche in ihrem Leben pointiert für unsere Werte und spezifisch für die Ärmeren der Gesellschaft eingetreten sind. Ich durfte dies persönlich erfahren. Diese Frauen haben ihren Schritt damit begründet, dass die Frauenfeindlichkeit in der römisch-katholischen Klerikerkirche seit Jahrhunderten System habe. Diese Frauen anerkennen wohl, dass es in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1960er-Jahren gewisse Reformen in der Kirche gegeben hat, und auch, dass Papst Franziskus gegenüber Geschiedenen oder Homosexuellen mildere Töne hat verlauten lassen. Doch in der Frauenfrage habe es keinen Millimeter Bewegung gegeben. Letzter Auslöser für ihre Entscheidung sei gewesen, dass Papst Franziskus jegliche Abtreibung mit einem bestellten Auftragsmord verglichen habe.

Unterschiedliche Äusserungen von Papst Franziskus zur Abtreibung

Es würde zu kurz greifen, diese Austritte einzig auf die auch aus meiner Sicht undifferenzierte und dadurch unhaltbare Äusserung des Papstes zu reduzieren. Zudem liesse sich dazu anführen, dass gerade dieser Papst im Jahr der Barmherzigkeit sehr differenziert zur Abtreibungsfrage Stellung genommen hat und einer echten Vergebung das Wort geredet hat. Damals äusserte er sich auch explizit zum Dilemma bei Frauen, welche selbst Opfer geworden sind, oder wenn es um die Abwägung von anderem menschlichem Leid geht. Dass längst nicht jede Abtreibung einem solchen Dilemma geschuldet ist, und dass der Papst energisch für den Schutz des werdenden Lebens eintritt, trifft ebenfalls zu.

Gespräche reichen nicht aus …

Es hat mich Anfang diese Woche geärgert, dass die Amtskirche auf diese Rücktritte überhaupt nicht reagiert hat. Auch die Medienmitteilung nach der Vollversammlung der Bischofskonferenz verliert dazu kein Wort. Immerhin kann den Medien entnommen werden, dass sich Vertreter der Bischofskonferenz mit diesen Frauen zum Austausch treffen wollen. Das ist ein guter Ansatz. Dabei kann es aber kein Bewenden haben. Ein solches Treffen alleine gibt keine Antworten an alle Frauen und Männer in unserer Kirche, welche dieselbe Not in Bezug auf den Umgang der Amtskirche mit der Rolle und Stellung der Frau kennen und damit hadern. Es braucht verbindliche Aussagen, wo und wie ernsthaft die römisch-katholische Kirche in der Frauenfrage auf dem Weg ist. Dieser Weg ist auch steinig, schon lange. Wenn aber der Eindruck entsteht, dass dieser Weg in die Sackgasse führt, werden weitere Kirchenmitglieder resignieren, sich abwenden und andere Wege einschlagen.

… gefordert sind Wege, die nicht in die Sackgasse führen …

Deshalb appelliere ich an unsere Bischöfe, in dieser wichtigen Frage für die Kirche Pfadfinder zu sein. Das erfordert, dass man auch im unsicheren Gelände nach sicheren Wegen sucht und die Mitglieder auf diesen Wegen begleitet. Wir sind wohl alle bereit, dafür Kräfte aufzuwenden. Wir sind aber mit vielen unserer Mitchristen und Mitchristinnen nicht gewillt, den Weg in eine Sackgasse zu gehen. Ein Bekenntnis zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kirche und zu ihrem Recht, auf allen Ebenen mitreden, mittun und mitentscheiden zu können, hätte, wäre es schon früher erfolgt, nicht nur die zuletzt Ausgetretenen vor der für beide Seiten schmerzhaften Abwendung bewahrt.

… ein mutiges Aggiornamento ist an der Zeit

Beim Umgang mit Missbrauchsfällen haben wir gelernt, dass Wegschauen verantwortungslos ist und uns wieder einholt. Setzen wir uns also gemeinsam dafür ein, dass wir die weiterhin bestehenden Probleme in unserer Kirche benennen und konkret angehen. Es ist an der Zeit, auf dem Weg des Aggiornamento mutige Schritte zu tun. Für jeden einzelnen Schritt, den Sie auf kantonaler und wir als RKZ auf schweizerischer Ebene tun, danke ich Ihnen.

Luc Humbel, Präsident der RKZ
Zürich, 1. Dezember 2018