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Welchen Gestaltungsspielraum können Milizbehörden in der katholischen Kirche nutzen?

Interview mit Urs Brosi, Kirchenrechtler und Generalsekretär der Katholischen Landeskirche des Kantons Thurgau.

Unter dem Titel „Milizengagement – Auslauf- oder Zukunftsmodell“ fand am 14. Dezember 2015 in Zürich eine gut besuchte Tagung statt. Urs Brosi, Kirchenrechtler und Generalsekretär der Thurgauer Landeskirche, führte an der Tagung einen Workshop zum Thema „Mitentscheidungsrechte“. Im nachfolgenden Interview zeigt Urs Brosi auf, was hauptamtliche Fachpersonen und Milizbehörden seines Erachtens tun müssen, damit das Milizengagement ein Zukunftsmodell bleibt.

Herr Brosi, der von ihnen geleitete Workshop zum Thema „Mitentscheidungsrechte“ stiess bei besonders vielen Tagungsteilnehmenden auf Interesse. Wie erklären Sie sich das?
Wer sich in einer Behörde ehrenamtlich engagiert, will Verantwortung übernehmen und braucht einen Gestaltungsfreiraum. Sonst ist das Ehrenamt uninteressant. In der katholischen Kirche ist die rechtliche Stellung von Räten aber zwiespältig. Die Pfarreiräte haben gemäss Kirchenrecht nur beratende Funktion und hängen damit stark vom jeweiligen Pfarrer ab. Die Kirchgemeinderäte haben nach Staatskirchenrecht zwar Entscheidungsbefugnis, müssen jedoch die pastorale Zuständigkeit des Bischofs und des Pfarrers respektieren. Wo liegt also der konkrete Gestaltungsspielraum?

Im Abschlussplenum wurde gesagt, es sei sehr hilfreich gewesen, eine umfassende Erklärung zum Thema zu erhalten. Was war die zentrale Botschaft, die Sie vermittelt haben?
Das Verhältnis eines demokratischen Rates zum hierarchischen Leitungsamt in der Kirche darf nicht in einem Alles oder Nichts bestehen: Alleinentscheidung oder völlige Abhängigkeit. Es ist sinnvoll, differenzierte Mitwirkungsrechte zu vereinbaren. Mitwirkungsrechte sind insbesondere das Anhörungsrecht und das Zustimmungsrecht. Je nach Aufgabe kann also der Kirchgemeinderat dem Pfarrer in finanziellen Belangen ein Zustimmungsrecht einräumen. Oder der Pfarrer gewährt dem Pfarreirat in pastoralen Themen zumindest ein Anhörungsrecht. Eine schriftliche Vereinbarung, die diese Rechte regelt, kann helfen, um Klarheit über den eigenen Gestaltungsspielraum zu gewinnen.

In den letzten Jahren gab es zum Teil heftige grundsätzliche und kirchenpolitische Diskussionen um das duale System. Welches sind aus ihrer Sicht die drei wichtigsten Punkte, um Konflikte und Kontroversen zu vermeiden?
Dass die Interessen bisweilen divergieren und es Konflikte gibt, ist normal und fügt der Kirche keinen Schaden zu. Zumindest nicht, solange die Parteien miteinander im Gespräch bleiben. Gerade die unterschiedlichen Kirchenbilder verursachen immer wieder Spannungen. Was dient also, um bei Konflikten im Gespräch zu bleiben? 1) Eine gegenseitige Vertrauensbasis, die durch persönliche Kontakte und gemeinsame Erfahrungen gewachsen ist. 2) Das Beiziehen eines externen Moderators oder Mediators. 3) Die Übung in den klassischen Tugenden der Sanftmut, der Bescheidenheit und der Geduld.

Als Generalsekretär der Thurgauer Landeskirche arbeiten sie ganz konkret und alltäglich mit Milizbehörden zusammen. Was können die Profis und Hauptamtlichen in der Kirche Ihres Erachtens tun, damit das Milizengagement ein Zukunftsmodell bleibt?
Neben dem allgemein steigenden Verwaltungsaufwand sind es besonders die innerkirchlichen Konflikte, der wachsende Strukturanpassungsbedarf (z. B. Errichtung von Pastoralräumen) und der zunehmende Mangel an Seelsorgepersonal, die die Arbeit der Milizbehörden belasten. Da gibt es nicht einfache Rezepte. Grundsätzlich sollten die Profis die Milizbehörden in ihrer Arbeit entlasten, ohne sie zu entmachten. Die Profis können Orientierung geben in einer unübersichtlichen Welt. Sie sollten aus der Überzeugung heraus arbeiten, dass der Profi (hauptamtliche Fachperson) und der Milizler (ehrenamtlicher Laie) sich ergänzen und im Miteinander eine wertvolle Kraft entwickeln.

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