Die Kirchen (bzw. Religionsgemeinschaften) tragen Mitverantwortung für das gesellschaftliche und staatliche Handeln. Sie setzen ethische Massstäbe für das menschliche Zusammenleben und übernehmen wichtige zivilgesellschaftliche Aufgaben in Bildung, Sozialem und Kultur. Beispiele sind Erziehung, Diakonie, Betagtenbetreuung, Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen, oder der Unterhalt kunst- und kulturgeschichtlich wertvoller Gebäude, Förderung sakraler Musik.
Mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung würdigt der Staat dieses Engagement der Kirchen. Diese sind aber weder staatliche Einrichtungen noch staatliche Organe, sondern historisch gewachsene gesellschaftliche Institutionen. Ihr einzigartiger Charakter ist nur unter Berücksichtigung ihrer ethisch-religiösen sowie ihrer sozialen Dimension zu verstehen.
Mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung geht meist die Verleihung hoheitlicher Rechte einher, insbesondere das Steuerbezugsrecht und der erleichterte Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Spitäler, Gefängnisse etc.). Zugleich ist diese Form der öffentlich-rechtlichen Anerkennung an Voraussetzungen geknüpft: Rechtsstaatlichkeit, demokratische Organisationsform und finanzielle Transparenz.
Die weltweit präsente römisch-katholische Kirche verfügt über ein eigenes Rechtssystem und Recht. Grundlage dieser Gesetzgebung ist der «Codex Iuris Canonici» (CIC). Er wird als Kirchenrecht oder kanonisches Recht bezeichnet. Es regelt die kirchlichen Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten sowie andere für die Pastoral bedeutsamen Sachverhalte. Die zuständigen Autoritäten – der Papst, die Bischöfe und die Pfarrer – werden kirchliche, kanonische oder pastorale Instanzen genannt.
Die rechtlichen Regelungen des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat werden gemeinhin als Staatskirchenrecht bezeichnet. Wegen der zunehmenden Bedeutung anderer Religionsgemeinschaften ist heute auch oft von Religionsrecht oder Religionsverfassungsrecht die Rede.
Das Staatskirchenrecht umfasst auch die Bestimmungen, die von den öffentlich-rechtlich anerkannten Körperschaften erlassen werden und lediglich für deren Mitglieder gelten (kantonale Kirchenordnungen, landeskirchliche Verfassungen, Organisationsstatute und Ähnliches). Um diese Rechtserlasse vom rein staatlichen Recht zu unterscheiden, wird es zunehmend als kirchlich-körperschaftliches Recht bezeichnet.
Der Papst ist das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und des völkerrechtlich anerkannten Staates Vatikanstadt. Die katholische Gemeinschaft ist weltweit in 2945 Bistümern organisiert. Auf dem Territorium der Schweiz bestehen 6 Bistümer (auch Diözesen genannt): Basel, Chur, Lausanne, Genf und Freiburg, Lugano, Sitten, St. Gallen. Hinzu kommen 2 Gebietsabteien: Einsiedeln, St-Maurice. Anders als in den umliegenden Ländern gehören die Bistümer in der Schweiz zu keiner Kirchenprovinz, sondern unterstehen direkt dem Papst. Die Bischöfe, die Weihbischöfe und die Äbte sind Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz (SBK).
Seit vielen Jahren wird intensiv und kontrovers über die Weiterentwicklung des Staatskirchenrechts diskutiert. Die Befürworter des geltenden Systems begrüssen insbesondere
Sie sind der Meinung, die öffentlich-rechtliche Anerkennung und körperschaftliche Organisation könnte auch auf weitere Religionsgemeinschaften ausgedehnt werden und einen Beitrag zur Integration ihrer Angehörigen leisten.
Kritiker bemängeln,
Sie beurteilen das geltende System als überholt und der pluralistischen Religionslandschaft der Schweiz nicht mehr angemessen.
Im Zusammenhang mit dieser Diskussion sind auch das 2013 veröffentlichte «Vademecum für die Zusammenarbeit von katholischer Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften in der Schweiz» und der zugehörige wissenschaftliche Bericht zu sehen. Sie halten fest, dass das geltende System aus kirchenrechtlicher Sicht zulässig ist, aber der Weiterentwicklung bedarf. Die RKZ hat dieses grundsätzliche Ja zur kirchenrechtlich-staatskirchenrechtlichen Doppelstruktur begrüsst. Aber sie hält kritisch fest, dass die Verfasser dazu tendieren, die staatskirchenrechtlichen Körperschaften zu reinen Finanzierungsgremien abzuwerten und die Chancen der aktiven Mitbeteiligung und Mitverantwortung der Mitglieder staatskirchenrechtlicher Behörden nicht angemessen würdigen.
Neben den innerkatholischen Meinungsverschiedenheiten verlangt der Wandel der gesellschaftlichen Rolle der Religion und der Religionsgemeinschaften die Weiterentwicklung des staatlichen Religionsrechts. Die RKZ beteiligt sich aktiv an der Lösungssuche.
Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft enthält nur zwei religionsrechtliche Bestimmungen:
Wie viele andere Belange in der föderalistischen Schweiz, sind auch die staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen für die katholische Kirche und die Modelle der Kirchenfinanzierung von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich.
Mit dem Miteinander – je nach Sichtweise auch dem Nebeneinander – der kirchenrechtlichen und der staatskirchenrechtlichen Strukturen entsteht eine sogenannte «Doppelstruktur» bzw. ein «duales System». Diese Form ist eine Schweizer Besonderheit und einzigartig in der katholischen Kirche. Die beiden Strukturen stehen in einer gewissen Spannung zueinander.
Eine gute Zusammenarbeit zwischen den kirchenrechtlichen und den staatskirchenrechtlichen Organen auf allen Ebenen ist von zentraler Bedeutung für das kirchliche Leben in der Schweiz. Auf gesamtschweizerischer Ebene pflegen die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und die RKZ einen regen Dialog über gemeinsame Anliegen.
Im Themenfeld «Kirche und Recht» dokumentiert die RKZ die laufenden Entwicklungen, trägt mit eigenen Beiträgen und mit der Finanzierung von Gutachten zur Rechtsentwicklung bei, fördert Forschung und Lehre, berät ihre Mitglieder und vertritt deren Interessen auf Bundesebene.
In den letzten Jahren hat sich die RKZ eingehend mit zwei Themenkreisen befasst: Der eine betrifft den Kirchenaustritt, insbesondere den «partiellen Kirchenaustritt», bei dem Personen erklären, der römisch-katholischen Kirche als Glaubensgemeinschaft weiterhin anzugehören, aber nicht mehr Mitglied der staatskirchenrechtlichen Körperschaft sein zu wollen. Der zweite ist das Zusammenwirken der kirchlichen und staatskirchenrechtlichen Instanzen im dualen System. Sei es bei heiklen Personalentscheiden, bei der Diskussion pastoraler Fragen oder grundsätzlicher Aspekte wie im Fall des Vademecum. Die RKZ erarbeitet Positionspapiere und Empfehlungen zuhanden ihrer Mitglieder, für den Dialog mit den Bischöfen und der Bischofskonferenz oder für die interessierte Öffentlichkeit und zuhanden der staatskirchenrechtlichen Behörden.